
v.l.n.r.: H. Schneider(DGV-Berater), S. Dawidowsky (HGK), Albert Hesse (MGC), S. Kirstein (GF MGC), M. Kurth (HGK), B. Rüdiger (DQS) | © GruberImages.com
Liegt Budenheim jetzt in Florida?
In dem El Dorado der Golfer im Südosten der USA sind sie auf vielen Plätzen ständige Bewohner. Die Rede ist von Alligatoren. Auch auf dem Golfplatz in Budenheim wurden die Reptilien schon gesichtet. Zuletzt im Wasserhindernis an der finalen 18. Bahn. Der Mainzer Golfclub ist eben etwas anders. In dem ehemaligen Steinbruch, der vor elf Jahren zu einem Golfplatz wurde, spielt die Tierwelt schon seit jeher eine wichtige Rolle. Auf dem Gelände, das viele Jahre brach gelegen hatte, hat sich die Fauna schon vor Langem ihren Lebensraum erobert.
Auch wenn die Golfer mittlerweile Gäste in diesem Revier sind, die Tiere fühlen sich weiter sauwohl. Zum Leidwesen der Greenkeeper leider auch immer mal die Wildschweine, die unter manchem Fairway und auch unter den Grüns Wildschwein-Leckereien vermuten - und entsprechend umpflügen. Ein Zaun hält die Schwarzkittel nun weitgehend vom Golfplatz fern, doch die restliche Tierwelt ist gern gesehen. Der Mainzer Golfclub baut vielen Arten sogar ein neues Zuhause. Behausungen für Echsen, Steinkäuze und Fledermäuse, ein ganzer Lebensturm, wo sich Igel, Vögel, Hornissen, Spinnen und Käfer in einer Art Tier-WG auf mehreren Stockwerken ein Zuhause teilen, sind nur einige Projekte. Mittlerweile gibt es sogar einen eigenen Honig im Proshop des Golfclubs zu erwerben. „Simons Fleißige Bienchen“ steht auf den Gläsern. In der Tat: Die geschätzten 4500000 Bienen sind in ihren Bienenstöcken sehr fleißig. Vom viel zitierten Bienensterben ist hier keine Rede. Im Gegenteil: „Die Völker vermehren sich“, beobachtet Simon Reuter, der sich wunderte, dass kein Imker vor ihm im Spätsommer 2017 auf die Idee kam, dort seine Bienen anzusiedeln. „Fernab von Agrarindustrie, viel unverbrauchte Fläche, Streuobstwiesen und eine Wildblütenvielfalt, die den Honig zu etwas Besonderem macht“, schwärmt der Imker von den Bedingungen vor Ort.
Die Flora in der Nachbarschaft zum geoökologisch und botanisch überregional bedeutsamen Naturschutzgebiet Großer Sand ist für einen Golfplatz ebenso etwas Besonderes. Der Sandrasen und das dort wachsende Schillergras an der Bahn 2 oder auch eine der größten zusammenhängenden Orchideenwiesen in Rheinland-Pfalz an der Bahn 3 sind nur zwei Beispiele. „Auf dem Gelände gibt es ca. 45 Hektar Biotop- und schützenswerte Flächen. Manchmal nicht zur Freude der Golfer, aber notwendig“, weiß auch Headgreenkeeper Michael Kurth, dass sich Golfer über die verlorenen Bälle im Biotop ärgern. Doch dann ist halt sogenanntes Target-Golf gefragt. Der Schutz und die richtige Pflege der Biotope stehen eben im Vordergrund.
„Mein erster Gedanke war: Das kriegen wir nie und nimmer genehmigt...mit den ganzen Schutzgebieten drumherum. Es war von Anfang an eine sehr reizvolle, ambitionierte und schwierige Aufgabe, bei der wir gemeinsam gegen alle formalen und ideologischen Bedenken eine Lösung mit Mehrwert für alle Beteiligten, auch für die Natur, hinbekommen haben“, erinnert sich der Landschaftsarchitekt Klaus-Dieter Aichele an die Planungen für den Golfplatz. „So ein spektakuläres Gelände stand uns noch niemals für eine Planung zur Verfügung“, wusste auch der Golfplatz-Architekt Christoph Städler damals, dass er wohl den „atemberaubendsten Golfplatz Deutschlands“ baut. Der Budenheimer Architekt Udo Ries hatte die Vision, auf dem Gelände, einen Freizeit-, Sport- und Erholungspark einzurichten. Aber nicht nur mancher Naturschützer dachte: „Der hat doch einen Vogel.“
Aus dem Vogel wurden viele „Birdies“. Und elf Jahre später wird die gelebte Symbiose aus Golfern und Getier auch Schwarz auf Weiß dokumentiert. Das Qualitätsmanagement „Golf und Natur“ des DGV vergab nun anno 2018 nach Bronze und Silber in den Vorjahren das Zertifikat in Gold für den Mainzer Golfclub. Für eine von nur 80 Golfanlagen in Deutschland. „Frei nach dem Motto Stillstand ist Rückschritt wird sich das Team nur eine kurze Pause gönnen, um dann weitere Projekte in Angriff zu nehmen“, verspricht Golfclub-Geschäftsführer Stefan Kirstein.
Ob das Budenheimer Nashorn wieder angesiedelt wird, steht derweil noch in Sternen. Ist aber eher unwahrscheinlich, ist das urzeitliche Rhino schon lange ausgestorben. Ein Fund eines Skeletts aus dem Jahr 1911 belegte, dass das Tier vor 20 Millionen Jahren einst hier gelebt hatte. Doch von einem Jurassic Park ist das Gelände in Budenheim noch ein Stück weit entfernt, denn die eingangs erwähnten Alligatoren sind nur eine Attrappe. Aber sonst erinnert so manche Golfrunde im Mainzer Golfclub an eine kleine Safari, wenn auch für die „Birdies“ oder sogar den seltenen „Eagle“ immer noch der Golfer selbst zuständig ist.