
Die Teilnehmer bei der Besichtigung der Anlage MGC und deren Gehölze. | © Arne Bensiek
Von Arne Bensiek
Wo heute Golferinnen und Golfer spielen, befanden sich früher ein Steinbruch und eine Mülldeponie. Auf diesem Gelände entstand 2007 der Mainzer Golfclub – und inzwischen ist es ein Platz, der nicht Raum für Sport bietet, sondern auch vielfältige Lebensräume für viele Arten. Dass dafür vor allem Hecken und Bäume entscheidend sind, war Thema der jüngsten Greenkeeper-Schulung im Rahmen des Forschungs- und Aufwertungsprojekts GolfBiodivers. Die Experten Gerrit Zehrer und Karsten Joksch erklärten dabei, wie gezielte Pflege die Biodiversität stärkt und den Golfplatz ökologisch aufwertet. Das Projekt GolfBiodivers wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
Als Biodiversitätsberater der Firma Anthenga hilft Gerrit Zehrer vor allem Winzern dabei, ihre Rebflächen ökologischer und nachhaltiger zu gestalten. „Hecken spielen dabei eine Schlüsselrolle, weil sie Monokulturen aufbrechen und ein Treiber von Biodiversität sind“, betont Zehrer. Das gelte nicht nur für den Weinbau, sondern auch auf Golfplätzen, wo sie ein gutes Mikroklima schaffen und Lebensräume miteinander vernetzen. „Viele Tierarten, die zum Leben und Nisten auf Hecken angewiesen sind, bleiben bei der Nahrungsaufnahme überraschend nah an ihrem schützenden Rückzugsort“, so Zehrer. Eidechsen etwa 20 Meter, Igel 250 Meter. Lägen Hecken, Blühwiesen und andere Biotope zu weit voneinander entfernt, verhindere das einen Genaustausch innerhalb vieler Arten und damit ein gesundes Ökosystem.
„Unregelmäßigkeit ist Trumpf“, erklärt der Berater. Was für manchen auf den ersten Blick nach Unordnung aussehe, schaffe Strukturvielfalt und Leben. Den höchsten ökologischen Wert habe eine Hecke, wenn sie mindestens acht Meter breit und drei bis vier Meter tief sei, aus etwa 30 Prozent Dornengewächsen (zum Schutz für brütende Vögel), aus krautigen Säumen, einem Kern von Sträuchern und vereinzelten Bäumen bestehe. Idealerweise enthalte sie hiesige Gehölze wie den Schwarzen Holunder, den Weißdorn oder die Hundsrose. „Der Schwarze Holunder allein schafft ein Nahrungsangebot für 62 Vogelarten“, erklärt Zehrer. Im Rahmen ihrer Forschung für das Projekt AmBiTo („Entwicklung und Anwendung eines modularen Biodiversitäts-Toolkits für den Weinbau in Deutschland“, gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums) haben er und seine Kollegen den immensen Wert vieler weiterer heimischer Pflanzen quantifiziert.
Immergrüne Thuja- oder Kirschlorbeerhecken seien nach biologischen Maßstäben ein Totalausfall. Statt eines symmetrischen Schnitts empfiehlt Gerrit Zehrer, nach Möglichkeit jährlich nur ein Drittel einer Hecke zu stutzen, in den beiden Folgejahren dann jeweils die anderen Teile. Der Wert einer durchdachten Heckenpflege sei nicht zu unterschätzen, weil er dem Absterben entgegenwirke: „Eine Hecke, die 20 Jahre nicht zurückgeschnitten wurde, bietet weit weniger Lebensraum, als wenn die Gehölze alle drei bis fünf Jahre auf den Stock gesetzt werden und frisch austreiben.“
Golfplätze mit gesunden Heckenstrukturen seien Trittsteinbiotope für viele seltene und bedrohte Arten – auch wenn es den ein oder anderen Ball unspielbar macht oder gar kosten mag. „Wichtig ist es, den Golferinnen und Golfern zu erklären, warum die Hecken so sind wie sie sind“, empfiehlt Zehrer.
Auch die Pflege der Bäume ist auf vielen Golfplätzen eine Gratwanderung. Rasen, der den Stamm umgibt, mähen die Greenkeeper gerne runter, um die Spielbarkeit zu erhalten, zumindest wenn der Baum auf dem Fairway oder in unmittelbarer Nähe steht. „Die Mäher sind Gift, weil sie den Boden unter den Kronen verdichten und die Wurzeln beschädigen“, gibt Karsten Joksch zu bedenken. Sterben Wurzeln ab, verliert der Baum an Standfestigkeit. Ein Problem, das auch aufgrund von langanhaltenden Trockenperioden in den vergangenen Jahren zugenommen hat. „Die Pflanzen sind seit dem Jahrhundertsommer 2003 definitiv empfindlicher geworden“, beobachtet Joksch.
Als Baumsachverständiger des Unternehmens Baum4 nimmt er Tag für Tag stets Kronen, Stämme und – nicht zu vergessen – den Boden rund um einen Baum in Augenschein. Oft ist er es, der entscheidet, einen Baum zu stutzen, zu sichern oder zu fällen, wenn die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist. „Der Artenschutz ist dabei immer auch zu berücksichtigen, weil beides rechtlich auf einer Stufe steht“, weiß Joksch. Schließlich seien Bäume auch Habitate für Vögel, Fledermäuse, Wespen und andere Arten.
Als Baumkontrolleur hat Joksch einen geschulten Blick, was genau einem kränkelnden Baum zu schaffen macht. 30 verschiedene Pilze seien für ihn bei der Arbeit in hiesigen Gefilden relevant. Sie gelangen beispielsweise über Beschädigungen an der Rinde oder den Wurzeln in den Baum und zersetzen nach und nach das Kernholz. Oft sind es Käfer wie der Körnerbock oder Spechte, die den Anfang machen und damit zugleich das Ende einläuten – auch wenn manche Bäume noch Jahrzehnte lang mit einem Pilzbefall leben können.
Wer glaubt, einen Baum retten zu können, indem die Krone gesichert wird, dem gibt Joksch zu bedenken: „Einmal Technik im Baum, immer Technik im Baum.“ Denn Bäumen gewöhnen sich an Stützen und Seile und verlieren darüber ihre Fähigkeit sich selbst zu halten. Abgestorbene Bäume durch Arten aus südlicheren Breitengraden zu ersetzen, sei nicht immer von Erfolg gekrönt. „Erstens holt man sich über nicht einheimische Arten Schädlinge und Krankheiten rein und zweitens sind viele Bäume aus Südeuropa sogenannte Ringporer, die mit unseren Spätfrösten nicht zurecht kommen“, so Joksch.
Zum Abschluss der Greenkeeperschulung führte der Mainzer Headgreenkeeper Michael Kurth die Teilnehmenden raus auf den Platz, um gemeinsam mit den Fachleuten Gerrit Zehrer und Karsten Joksch neues Wissen am praktischen Beispiel zu verdeutlichen. Auf den ersten Blick beeindruckt die Golfanlage, die am Projekt GolfBiodivers teilnimmt, mit ihrer einzigartigen Topographie. Mindestens genauso beachtlich ist allerdings die gelungene Transformation von Steinbruch und Mülldeponie hin zu vielen lebenswerten Orten für unzählige Pflanzen- und Tierarten.